Eine Stiftung als Erbe

Seit 30 Jahren fördert die Meyenburg-Stiftung die Krebsforschung

"Oh nein, warum ausgerechnet in Heidelberg?" Dr. Marion Meyenburg ist nicht gerade begeistert, als sie erfährt, was Maria Meyenburg 1975 in ihr Testament geschrieben hat. Denn sie verfügt darin die Gründung einer Stiftung zu Gunsten des Deutschen Krebsforschungszentrums mit Sitz in Heidelberg. "Zu Heidelberg hatten wir überhaupt keinen Bezug, da war ich vorher noch nie."

Ziel der Wilhelm und Maria Meyenburg-Stiftung ist es - so steht es in der Satzung -, "Geldbeträge Zwecken der Krebsforschung und Krebsbekämpfung zuzuführen". Und Marion, die Tochter, gehört zum Stiftungsvorstand - auf Lebenszeit.

Heidelberg ist weit entfernt vom Elternhaus der Familie in Krempe, einem kleinen Ort auf dem Land in Schleswig-Holstein. Der Vater Wilhelm Meyenburg, 1887 in Hamburg geboren, ist Kaufmann und Lederfabrikant. "Er war ein Kosmopolit, ein Weltbürger. Mein Vater war ein Self-Made-Man", meint Marion Meyenburg im Rückblick. Als junger Kaufmann handelt er mit allem, was er sah.


 

 

 

 

Später importiert er Tierhäute aus Südamerika und verkauft sie an Lederfabrikanten. Englisch und Französisch spricht er fließend, später lernt er Dänisch. Auch in Russland ist er vor dem Ersten Weltkrieg gewesen. "Wenn ich alte Filme sehe, wie sie Wodka trinken und auf den Tischen tanzen, dann denke ich an meinen Vater, bei so was, da war er auch dabei." Im Jahr 1937 kauft er die Kremper Lederwerke. "Erst nach dem Zweiten Weltkrieg, als er in Hamburg ausgebombt war, ist mein Vater nach Krempe gezogen." Wilhelm Meyenburg achtet immer auf das Wohl seiner Arbeiter. Er finanziert Eigenheime in der kleinen Stadt. Direkt nach dem Krieg stiftet er größere Mengen Schuhe und Leder, besorgt Lebensmittel und beschafft einheimische Tierhäute, um die Lederproduktion wieder aufnehmen zu können. Er unterstützt die Volkshochschule, die Kremper Feuerwehr, die Stadtkapelle, die sozial Schwachen. "Das war nicht in unserem heutigen Sinne sozial, sondern es gehörte einfach dazu."

Aus diesem Motiv heraus denkt Wilhelm Meyenburg auch lange über die Gründung einer Stiftung nach. Immer wieder ändert er sein Testament, hat verschiedene Ideen, aber er trifft zu Lebzeiten keine Entscheidung. Das übernimmt seine Frau Maria Meyenburg, die in ihrem Testament zwei Millionen Mark ihres Vermögens für die Krebsbekämpfung stiftet. "Mutter selbst, Vater und zahlreiche Freunde waren an Krebs erkrankt und sind daran gestorben. Sie wollte auch ihren Beitrag leisten", so erklärt sich die Tochter Marion die Entscheidung für das Krebsforschungszentrum.

Als die junge Politologin Marion Meyenburg mit 28 Jahren zum ersten Mal nach Heidelberg aufbricht, prankt ein Herpes auf ihrer Lippe, die Angst sitzt ihr in den Knochen. "Diese wichtigen Wissenschaftler in Heidelberg, wie sollte ich junges Ding aus einer Kleinstadt nur deren Ansprüchen gerecht werden? Wie sollten wir die Stiftung mit Leben füllen, um mit dem Tod zu kämpfen?", so erinnert sie sich an ihre Zweifel und Fragen in den vergangenen 30 Jahren.

30 Jahre, auf die sie heute mit Stolz zurückblickt:

"Da ist viel Energie und Kreativität eingeflossen. Der große Vorteil war, dass das Deutsche Krebsforschungszentrum selbst noch in den Kinderschuhen steckte und keine großen Ansprüche stellte." Die neue Stiftung muss nicht in eine bestehende Struktur eingezwängt werden, sondern kann sich frei entwickeln. In den ersten Jahren fördert sie viele Projekte, finanziert Aushilfspersonal, Materialien für die Forschung und Kongresse. "Ich hatte jedoch irgendwie nicht das Gefühl, die eingesetzten Mittel optimal zu nutzen." Dann hat Professor Klaus Munk, damals Vorstandsmitglied der Stiftung, eine Idee: Der Meyenburg-Preis wird ins Leben gerufen. Seit 1980 wird er jährlich für herausragende Leistungen in der Krebsforschung verliehen, um jüngere Wissenschaftler zu fördern. Der erste Preisträger ist Professor Werner Franke, dessen Arbeiten über das Zellskelett ausgezeichnet werden. "Da machte mir die Stiftung plötzlich richtig Spaß." Auch wenn mittlerweile einige ältere Jahrgänge unter den Preisträgern sind, so steht der Fördergedanke weiterhin im Vordergrund. Marion Meyenburg freut sich über das Renommee, das diese Auszeichnung in 30 Jahren gewonnen hat.

Ganz besonders freut sie, dass der Meyenburg-Preisträger des Jahres 2002, Professor Andrew Fire damals an der Carnegie Institution of Washington in Baltimore, Maryland und heute an der Stanford University School of Medicine, bei San Franciso, Kalifornien tätig 2006 den Nobelpreis erhalten hat.

Dank des Einsatzes von Dr. Wolfgang Henkel, Geschäftsführer der Stiftung, darf der zurzeit mit 40 000 Euro dotierte Förderpreis auch international vergeben werden. So wurden in den Jahren seit 1990 u.a. auch Wissenschaftler in den USA (3), GB (3), Schweden (1), Dänemark (1) und Japan (1) ausgezeichnet.

Nähere Informationen zum Meyenburgpreis finden Sie unter dem Menüpunkt Meyenburgpreis


Auch ein anderes Engagement der Stiftung ist international ausgerichtet, das Meyenburg Haus für ausländische Gastwissenschaftler. "Zuerst war ich sehr skeptisch. Ich hatte meine Probleme mit der Idee, ein Haus zu kaufen." Aber Marion Meyenburg lässt sich von Professor Stefan Meuer, der im Vorstand auf Klaus Munk folgt, überzeugen, und 1993 kauft die Stiftung ein Haus, ganz in der Nähe des Zentrums. Marion Meyenburg liegt die moderne und individuelle Einrichtung der Appartements am Herzen: "Ich möchte, dass die Gastwissenschaftler gerne in Heidelberg leben, sich wohl fühlen und dass dies auch in ihre Arbeit einfließt."

Und wieder ist es der Austausch mit Menschen aus anderen Ländern, den die Stiftung fördert: 2000 wird die Vortragsreihe der "Meyenburg-Lectures" von Professor Harald zur Hausen ins Leben gerufen. Jährlich werden drei renommierte Wissenschaftler aus aller Welt eingeladen, um im Krebsforschungszentrum über ihre Foschung zu berichten. „Das international ausgerichtete Engagement der Stiftung hätte meinen Vater, den Weltbürger, sehr erfreut“, da ist sich Marion Meyenburg sicher.

Heute nach 30 Jahren hat sie keine Minderwertigkeitsgefühle mehr, wenn sie nach Heidelberg fährt. Sie kommen gut miteinander zurecht, die „wichtigen Wissenschaftler“ und die Frau aus dem Norden. „Wir mögen einander und haben eine lockere, sympathische Form im Umgang gefunden“, findet Marion Meyenburg, die oft eine andere Sicht der Dinge hat.

Dessen ist sich die als Homöopathin arbeitende Hanseatin deutlich bewusst: „Ich empfinde mich als Exotin, ich passe in keinen Rahmen.“ Sie denkt quer. „Für mich zählen nicht nur analytische, rationale Gedanken, sondern ich liebe die Mischung. Es gibt für mich nicht nur ein Entweder-oder, sondern auch ein Sowohl-als-auch.“

Marion Meyenburg wünscht sich für die Zukunft eine interdisziplinäre Klausurtagung, um das Thema Krebs von allen Seiten zu beleuchten. „Ich stelle mir vor, weltoffene, kluge Köpfe an einen Tisch zu bringen – zum Beispiel Philosophen, Theologen, Mediziner, Quantenphysiker, Gentechniker, Biologen, sowie Psychologen – und warum nicht auch einen Schamanen.“ Sie sollen sich über ihre jeweilige Sicht der Krankheit Krebs austauschen. „Das könnte der Krebsforschung neue Impulse geben.“ Davon muss sie die anderen Vorstandsmitglieder allerdings erst noch überzeugen.

Ein wenig fremd werden sie sich wohl bleiben, die Wissenschaftler und die Stifter-Tochter. Doch Heidelberg und die Krebsforscher sind Marion Meyenburg in fast 30 Jahren ans Herz gewachsen. Nach der Verleihung des letzten Meyenburg-Preises fährt sie direkt nach Krempe aufs Land – in ihr Elternhaus.

 

 



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